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Bürgergespräch am 23.3.2011

Die Oppositionsparteien UFS, SPD und Grüne hatten die Bürger von Bartelsdorf ins Gasthaus Ehlermann eingeladen, um sich über den Stand einer geplanten Biogasanlage direkt am Ortsrand Richtung Veerse zu informieren.

Herr Steppat (UFS) leitete die Versammlung ein mit der Kritik an den Ortsrat, der die Problematik hätte vor Ort lösen können.
Statt dessen hatten 2 Einwohner an namhafte Politiker geschrieben und sich beklagt, dass die Gemeindeverwaltung zugestimmt habe.
Er gab dann das Wort an die Bürger.

Eine Bürgerin ergriff das Wort und gab eine vollständige Stellungnahme ab.
Sie sei nicht generell gegen Biogasanlagen, wohl aber gegen diese. Denn dieser fehle ein Wärmekonzept, eine zwingende Voraussetzung. Es sei schon erstaunlich, dass innerhalb eines Jahres kein solches Konzept erstellt werden konnte.
Sie sehe ein, dass ein Landwirt investieren wolle, aber dies ginge nicht ohne die Bürgerinformation.
Nicht der Bürger müsse sich die Information beschaffen, sondern der Investor müsse erkennen, dass er nur mit dem Bürger zusammen sinnvoll investieren könne.
Insgesamt würden zu viele Biogasanlagen gebaut werden, weil eine hohe Subvention fließe, zu der sie als Steuerzahlerin mit beitragen müsse. Im Gegenzuge verliere ihre Immobilie an Wert durch die Nachbarschaft zu einer Biogasanlage.

Ihr antwortete Herr Indorf als einer von 6 Betreibern der geplanten Anlage.
Er erläuterte, dass die Betreiber zunächst einen Standort weiter außerhalb des Ortes ins Auge gefasst hätten, hier aber auf Widerstand gestoßen seien.
Daraufhin habe man den jetzigen Standort gewählt, da dieser eine direkte Anbindung zum bestehenden Hof habe und die geplante Anlage daher eine privilegierte Baumaßnahme sei und von der Gemeinde nicht verhindert werden könne.
Die Betreiber hätten 2 Gutachten erstellen lassen, die ergeben hätten, dass Lärm- und Geruchsbelästigung so gering seien, dass kein Grund zur Beanstandung vorliege.
Die Betreiber hätten zwar noch kein Wärmekonzept, aber es gebe hinreichend Möglichkeiten, die Wärme sinnvoll zu nutzen oder auch in das Erdgasnetz einzuspeisen.
Er könne daher die Ablehnung nicht nachvollziehen.

Frau Dorsch (SPD-Fraktionsvorsitzende und Mit-Einladende, Mitglied im Ortsrat Bartelsdorf) erklärte, das Wärmekonzept käme schon noch. Hier würden einfach sehr viele Ängste geschürt.

Herr Detjen, einer der Verfasser des o.g. Briefes an Politiker, hielt Frau Dorsch entgegen, dass eine Einigung im Dorf nicht gewollt gewesen sei und sie das nicht ins Lächerliche ziehen möge.

Herr Tiedemann, der andere der Verfasser des o.g. Briefes, stellte die Frage, was die Veranstaltung eigentlich solle. Sie sei als Informationsveranstaltung angekündigt, aber Informationen habe es seitens der einladenden Politiker bisher nicht gegeben. Darauf warte er.

Ihm antwortete Herr Villwock (Ratsherr der Grünen), er möchte sich auf dieser Veranstaltung informieren. Da ginge es z.B. um die Entscheidung der Zuwegung, die demnächst im Rat anstünde.
Er selbst sei gegen Biogasanlagen, halte es aber für legitim, dass ein Landwirt investieren und Gewinn erwirtschaften wolle. Er weise die Betreiber aber darauf hin, dass eine Einspeisung in ein Erdgasnetz nicht so einfach sei. Dazu erforderliche Maßnahmen würden das Vorhaben schnell unwirtschaftlich machen.
Er bedaure auch die Anzahl der Biogasanlagen, die zunehmend dazu führe, dass wir eines Tages reine Maislandschaften hätten.

Frau Dorsch ergänzte, dass sie von den Verfassern angeschrieben worden seien. Diese hätten ein Gesprächsangebot der Gemeindeverwaltung abgelehnt. Dies sei nun ein Versuch, auf anderer Ebene miteinander ins Gespräch zu kommen.
Die anwesenden Poliiker hätten keinen Einfluss auf den Entscheidungsprozess.
Es gebe aber auch keinen Grund, gegen die Anlage zu sein. Der Mais sei vorhanden, die Anfahrwege seien zudem kurz. Das Emissionsgutachten könne von jedermann eingesehen werden.
Im übrigen seien woanders auch Biogasanlagen vergleichsweise nahe am Ort, beispielsweise in Jeersdorf. Und niemand beklage sich dort.

Eine Bürgerin widersprach heftig. Sie sei in Jeersdorf gewesen und habe sich die Anlage angesehen. Die Entfernung zu den ersten Häusern sei erheblich größer als in Bartelsdorf.

Frau Dorsch hatte jedoch die Entfernung zum zuerst geplanten Standort in Bartelsdorf gemeint.
Diese nachgeschobene Korrektur ging in den Unmutsbekundungen der Bürger (fast) unter.

Herr Tiedemann beklagte, dass (auch) die Grünen, in persona Herr Trittin, per Gesetz das Mitspracherecht der Bürger ausgehebelt hätten. Und die SPD sei gegen Biogasanlagen. Frau Dorsch spreche also gegen eigene Parteiaussagen.

Ein anderer Bürger brachte es auf den Punkt: es geht nicht um Biogasanlagen generell und nicht um Bundespolitik, es gehe um den konkreten Standort dieser geplanten Anlage.

Frau Dorsch widersprach Herrn Tiedemann und betonte, dass die SPD gegen Industrieanlagen wie in Freetz sei. Diese seien aber mit der hier geplanten Anlage nicht vergleichbar. Sie stehe hinter dem Energieeinspeisungsgesetz (EEG) und sehe auch kein Risiko.

Herr Villwock räumte ein, dass die Grünen die Tragweite ihrer Entscheidung für das EEG nicht erkannt hätten. Mit einem derart ausgeprägten Hang zum unternehmerischen Handeln der Landwirte hätten sie nicht grechnet.
Nachdem die Lacher sich beruhigt hatten, ergänzte er, dass es nach seiner Einschätzung sicher eine Geruchsbelästigung gebe, dass aber andererseits immer mehr Gülle diesen Anlagen zugeführt werden würde. Dies bewirke, dass der Gestank der sonst ausgefahrenen Gülle unterbleibe, denn in den Biogasanlagen würde die Gülle durch den Entzug des Methans geruchsfrei verarbeitet.

Herr Steppat meinte, ein Wärmekonzept sei ebenso erforderlich wie eine Akzeptanz der Anlage durch die Bürger. Er bedauerte, dass die anwesenden Politiker jetzt nur noch flickschustern könnten.

Herr Detjen betonte, dass das Problem in der Privilegierung der Anlage liege. Dies führe dazu, dass der Bürger nicht mehr gefragt werde. Man möge doch im Saal mal fragen, wer denn für oder gegen die Anlage sei.

Frau Dorsch sagte, sie sei für die Anlage, weil sie keinen Grund sehe, dagegen zu sein.

Eine Bürgerin hielt ihr entgegen, dass auch ihr Grundstückspreis sinke und sie wohl noch andere Gründe habe, um für die Anlage zu stimmen.

Herr Hillebrand (Ratsherr und Vorsitzender des Ortsverbands der SPD) erwiderte, dass er keine Meinung habe. Er sei vielmehr nach Bartelsdorf gekommen, um sich zu informieren.

Herr Lusch (Ratsherr der Grünen) stellte fest, dass er gegen Biogasanlagen sei, die hier geplante Anlage aber nicht zu verhindern sei. Man solle daher auch den Blick nach vorne richten.
Seine Bedenken richteten sich gegen die Anzahl der errichteten und geplanten Anlagen und die Subventionshöhe. Er hatte dazu Zahlen und kritische Beispiele wie den Ort Selsingen parat. Er geht davon aus, dass in recht kurzer Zeit das EEG novelliert wird, weil die Politik die Notwendigkeit erkannt habe.
Er bedauerte, dass Landschaft und Tierwelt sehr darunter litten und wies auf Aktivitäten des NABU hin, dem entgegenzuwirken.

Herr Kröger (CDU und Ortsbürgermeister von Bartelsdorf) ließ die Vergangenheit Revue passieren. Er habe alles versucht, den Ort zu einen. Nachdem die abgelegenen Standorte abgelehnt und der jetzige, ortsnahe entschieden wurde, habe er seine Sorge schon deutlich gemacht. Er habe Widerstand erwartet.
Während er jedoch nicht informiert worden sei, habe Frau Dorsch eigene Interessen vertreten, denn sie profitiere durch Nutzung der Abwärme für ihr Gebäude.
Er forderte sie auf, andere nicht als Lügner hinzustellen.
Er bedaure, dass der Ort nun gespalten sei und dass es viele Jahre brauchen werde, um wieder eine Dorfgemeinschaft herzustellen.

Frau Brüning-Wildhagen (Scheesseler Bürgerin) empfahl den Betreibern, mit einem Wärmekonzept den Anwohnern ein Angebot zur Nutzung der Wärme zu unterbreiten.
Dies sei auch für die Betreiber von Vorteil, denn die Einspeiseerstattungskosten, nicht mit Subventionen zu verwechseln, seien dann höher, ihre Anlage werde also profitabler.

Herr Ulrich (Ratsherr und Vorsitzender der Wählergemeinschaft WFB) meinte, gegen die Genehmigung der Anlage könne man nichts unternehmen. Er beklagte jedoch, dass alle Information am Rat vorbei gegangen sei, da solche Angelegenheiten Sache der Verwaltung seien. Von der Bürgermeisterin werde der Rat zu spät informiert.

Nach einigen sich wiederholenden Aussagen beendete Herr Steppat die Sitzung. Er betonte, dass der Meinungsaustausch wichtig gewesen sei und äußerte die Hoffnung, dass die Erstellung des Wärmekonzepts, das erforderlich sei, in einem besseren Miteinander stattfinden möge.

So endete eine Versammlung, die zeitweise sehr laut wurde, in der einzelne Bürger ihrem Unmut freien Lauf ließen und Einzelne auch vorzeitig gingen, letztendlich unzufriedenstellend, aber doch friedlich. Versöhnlich wäre sicher eine falsche Wortwahl.

Anmerkung des Verfassers: In Bartelsdorf prallen zwei unterschiedliche Interessenslagen aufeinander.
Zum einen wollen 6 Landwirte von den gesetzlichen Gegebenheiten und ihrem Betrieb profitieren.
Zum anderen wollen Anwohner eine geplante Biogasanlage nicht in so unmittelbarer Nähe akzeptieren.

Seit rund einem Jahr hat sich die Situation zugespitzt. Beide wesentlichen ortsansässigen Politikvertreter, Ortsbürgermeister Kröger und SPD-Mitglied im Ortsrat, Frau Dorsch, haben daran maßgeblichen Anteil. Allerdings auch die Betreiber, die offenbar nur ausgewählte Personen informiert haben.

Zu diesen gehörte offenbar Frau Dorsch, die durch Nutzung der Abwärme in der eigenen Immobilie profitieren wird. Dies ist nicht verwerflich. Interessanter ist schon, dass sie auf ganz direkte Frage, welche Gründe für sie maßgeblich seien, eben diesen nicht anführt. Dies räumt sie erst ein, nachdem ihr dies vorgehalten wird.
Es ist auch kein empfehlenswerter Stil, Bürger anderer Meinung als Neider oder -- laut Herrn Kröger in der Sitzung -- als Lügner zu bezeichnen.

Andererseits muss Herr Kröger sich vorhalten lassen, dass er als Bürgermeister offenbar das Ohr nicht am Bürger gehabt und die schleichende Eskalation regelrecht verschlafen hat.

Für die kommende Kommunalwahl haben sich beide nicht als Politikvertreter in Bartelsdorf qualifiziert.

Herr Kröger beurteilt die Lage wohl richtig, wenn er eine Spaltung des Ortes ausmacht. Die Fronten waren in der Sitzung klar erkennbar.

Gerade in dieser Situation war es mutig von den Oppositionsparteien der Gemeinde Scheessel, sich hier gemeinsam zu stellen. Alle -- SPD, UFS, Grüne und WFB -- haben Position bezogen. Diese besagte leider im Schwerpunkt auch, dass sie mangelhaft informiert waren. Ein Bürger forderte, sie hätten sich vor der Sitzung sachkundig machen sollen. Doch dies ist im nun mal gegebenen Zusammenspiel einer mit absoluter Mehrheit regierenden und hier abwesenden CDU und einer nicht zu verkennenden CDU-nahen Verwaltung erheblich leichter gesagt als getan.
Und für diesen Sachverhalt ist neben der Politik eben auch der Bürger verantwortlich, der so gewählt hat.

Die Karre ist jedoch nicht ganz verfahren. Die Genehmigung der Anlage sollte hingenommen werden. Es macht nicht viel Sinn, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen.

Was bleibt also?

Der sinnvollste Vorschlag kam gerade von einer Person, die bisher in keiner Weise involviert war und auch keinerlei Interessen hat: Frau Brüning-Wildhagen aus Scheessel.
Sie ist in keiner Partei, hat kein politisches Amt, ist keine Einwohnerin Bartelsdorfs und verfolgt keine Eigeninteressen.
Die Juristin, auf diesem Gebiet versiert, schlug ein Wärmekonzept im Interesse der Bürger und im Interesse der Betreiber gleichermaßen vor.

Hier liegt wohl die einzige Chance des Interessenausgleichs und der Versöhnung.

Möglicherweise wäre Frau Brüning-Wildhagen bereit, eine moderierende Funktion zu übernehmen.

Doch wer führt die streitenden Parteien auf einen Weg der Versöhnung? Wer übernimmt die Aufgabe, die zerstrittenen Parteien an einen Tisch zu bringen?
In der Versammlung kristallisierten sich Herr Indorf als Sprecher der Betreiber und Herr Tiemann als vehementester Verfechter der Anwohnerinteressen heraus. Aber wer bringt beide mit Frau Brüning-Wildhagen ins Gespräch und schafft es, von einer emotionsgeladenen Situation zu einer sachlichen Diskussion zu kommen?

Dies scheint mir die Schlüsselfrage zu sein.

Allen Beteiligten muss klar sein, dass dieser Weg der vernünftigste ist.

Wer kommt also in Frage?

Die Politik-Vertreter Frau Dorsch und Herr Kröger scheiden sicher aus. Die Politik-Vertreter der anderen anwesenden Parteien könnten diese Rolle übernehmen.

Ich schlage daher vor, dass sich die anwesenden Oppositionspolitiker zusammensetzen und unter sich einen ausmachen, der

a) mit Frau Brüning-Wildhagen klärt, ob sie zu einer Moderation bereit ist
b) mit den Betreibern klärt, ob Herr Indorf als ihr Vertreter akzeptiert wird
c) mit den Einwohnern klärt, ob Herr Tiemann als ihr Vertreter akzeptiert wird

Sollte dies erreicht werden, so sollte dieser Oppositionspolitiker diese 3 Personen zusammenführen. Seine Aufgabe wäre beendet. Danach sollte Frau Brüning-Wildhagen das weitere Vorgehen überlassen werden.

Dies kann nur ein Vorschlag sein, ein Appell an die Vernunft.

Andere Vorschläge nehme ich gerne entgegen, um sie hier zu veröffentlichen oder auch anders zu unterstützen.

Aber die konstruktive Sachauseinandersetzung ist besser als jeder Prozess.

Ernst Friesecke, 24.3.2011




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